Was für Möglichkeiten gibt es, mit Smartphones in der Schule umzugehen?

1. Handyordnung, die die private Nutzung von Smartphones verbietet

Die Handyordnungen an Schulen untersagen meist die Nutzung der Smartphones und digitalen Geräte zu privaten Zwecken. Es gilt die sog. Unsichtbarkeitsregel, d.h. die Smartphones müssen ausgeschaltet oder im Flugmodus in der Tasche bleiben. An manchen Schulen gilt das Nutzungsverbot nur im Unterricht. An anderen Schulen gilt es auch während der unterrichtsfreien Zeiten (vorm Unterricht, in den Pausen, in der Mittagspause, auf dem Schulhof etc.).

Handyordnungen setzen letztlich auf die Einsichts- und Vernunftsfähigkeit der SuS. Die Hauptprobleme dabei sind:

Permanente Ablenkung

Die Mehrheit der SuS nutzt das Smartphone trotz Verbot regelmäßig während der Schulzeit für private Zwecke und schaltet auch Benachrichtigungen nicht aus (s. PISA-Studie 2022). Dadurch werden nicht nur sie selbst, sondern auch alle anderen SuS vom Unterricht abgelenkt. Grundschule sowie Unter- und Mittelstufe bilden aber gerade die Grundlage für den schulischen Erfolg von Kindern. Sie verdienen eine optimales Lernumfeld ohne Ablenkung.

Lehrkräfte als Handypolizei

Die Lehrkräfte können unmöglich jede unbefugte Nutzung im Unterricht, auf den Gängen, auf den Toiletten, in der Umkleide, in den Pausen bemerken und ahnden. Meist werden Verstöße gegen die Handyordnung auch nicht einheitlich geahndet. Manche Lehrkräfte sind strenger, andere laxer. Das kann die Beziehung zwischen SuS und Lehrkräften beeinträchtigen.

Verminderte Konzentration

Smartphones vermindern die Konzentration, Gedächtnisleistung und kognitive Leistungsfähigkeit – sogar dann, wenn sie ausgeschaltet sind. Dies ist seit 2017 als sog. „Brain-Drain-Effekt“ bekannt und wurde in einer Meta-Analyse von einem Team um Prof. Dr. Zierer von der Universität Augsburg im Jahr 2023 bestätigt.

Verminderte soziale Interaktion

Smartphones vermindern die persönliche Interaktion der SuS. Denn auch in den Pausen, in Freistunden, vorm Unterricht und in der Mittagspause werden die Smartphones heimlich genutzt. Dabei sind in diesen Zeiten gerade der Austausch mit Gleichaltrigen, die Bewegung, die frische Luft und ganz einfach auch das Abschalten so wichtig. Das Gehirn braucht Pausen, damit Gelerntes im Gedächtnis bleibt und damit es sich anschließend wieder auf Neues konzentrieren kann.

Gelegenheit für Cybermobbing

Mit einem Smartphone können während des Unterrichts, aber auch in der Umkleide, beim Sport oder auf den Toiletten heimliche Ton- oder Videoaufnahmen von Mitschüler:innen oder Lehrkräften gemacht und anschließend verbreitet werden. Das geschieht öfter als Eltern oder Lehrkräfte glauben.  Ob als Täter, Opfer oder Beobachter haben mit 61% weit über die Hälfte der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren in Deutschland Erfahrungen mit Cybermobbing (2022: 59 Prozent, 2021: 51 Prozent – Quelle: Barmer). Die Verfügbarkeit von Smartphones während der Schulzeit erhöht die Chance von Cybermobbing deutlich.

Negative Auswirkungen auf die mündliche Mitarbeit

Die Sorge vor heimlich angefertigten Aufnahmen im Unterricht kann negative Auswirkungen auf die mündliche Mitarbeit haben.

Vandalismus durch Challenges

Challenges auf Social Media-Plattformen wie TikTok animieren SuS immer wieder zu Vandalismus. In den Schulen entstehen dadurch enorme Kosten, z.B. durch unbenutzbare Toiletten.

ChatGPT als moderner Spickzettel

ChatGPT wird vermehrt als moderner Spickzettel genutzt, um die mündliche oder schriftliche Note aufzubessern. Ganze Klassenarbeiten und Tests werden eingescannt und von KI gelöst. SuS, die sich an die Handyordnung halten, sind frustriert. Es wird zunehmend schwierig, den tatsächlichen Leistungsstand der SuS zu erfassen und fair zu bewerten.

Erhöhte Gefahr für Mediensucht

Eine Auszeit von Social Media und Online Games während der Schulzeit ist auch unter Gesichtspunkten der Mediensuchtprävention sinnvoll.  Laut der aktuellen Studie von DAK und UKE sind 4,3% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland abhängig von Online-Games. 6,1% sind süchtig nach Social Media. Zusätzlich zeigt fast ein Viertel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bereits riskante Nutzungsmuster, was einer Verdreifachung der Betroffenenzahl seit 2019 entspricht.

2. Eine verpflichtende Abgabe der Smartphones während des Schultages: AWAY FOR THE DAY

Eine verpflichtende Abgabe bedeutet, dass sichergestellt wird, dass die Handyordnung  - und damit das Verbot einer privaten Nutzung zu unterrichtsfremden Zwecken - auch tatsächlich eingehalten wird. Eine Abgabe dient also der Durchsetzung der Handyordnung. Die Vorteile dabei sind:

Eine bessere Lernumgebung

Schüler:innen können sich voll auf den Unterricht konzentrieren. Ein sicher verwahrtes Smartphone bedeutet: Weniger Ablenkungspotential, mehr Teilnahme am Unterricht. Der sog. Brain Drain Effekt wird verhindert.

Besseres soziales Miteinander

Das soziale Miteinander wird gestärkt durch mehr persönliche Interaktion in den unterrichtsfreien Zeiten. Gespräche und Fußball statt Zocken und TikTok in den Pausen. Schulen, die smartphonefrei geworden sind, berichten von vermehrter Nachfrage von Fußbällen und Tischtennisschlägern.

Ungestörter Unterricht

Wenn das ausgeschaltete Smartphone in einer Handygarage oder im Klassenschrank weggeschlossen ist, wird effektiv verhindert, dass es piept, klingelt und vibriert während des gesamten Schultages.

Kein Hotspot, um das Schul WLAN auszutricksen

Wenn das Smartphone abgegeben wird, kann es nicht dafür benutzt werden, per Hotspot mit dem Tablet auf Seiten zu gelangen, die im Schul-WLAN gesperrt sind.

Keine heimlichen Aufnahmen

Wenn die Smartphones sicher verwahrt sind, gibt es auch keine heimlichen Ton- oder Videoaufnahmen von Mitschüler:innen oder Lehrkräften. Auch live streams aus dem Unterricht werden verhindert.

Bessere Einbindung digitaler Geräte in den Unterricht

Wenn eine Schule darauf verzichtet, die privaten Smartphones für den Unterricht zu verwenden (BYOD), und stattdessen auf digitale Arbeitsgeräte, die einem Mobile Device Management (MDM) unterliegen setzt, wird so eine sinnvolle schulische Nutzung digitaler Geräte als produktive Werkzeuge des 21. Jahrhunderts ermöglicht .Schüler:innen sollen lernen, digitale Geräte als produktive Werkzeuge  sinnvoll zu nutzen. Gleichzeitig muss aber verhindert werden, dass sie durch ihre privaten Geräte, allen voran dem Smartphone, permanenter Ablenkung und Versuchung ausgesetzt sind.

Eigenständiges Denken statt KI

Die SuS gewöhnen sich nicht an, bei Tests, Klassenarbeiten aber auch dem normalen Arbeiten in der Schule KI zu Hilfe zu nehmen. Es ist einfacher, den tatsächlichen Leistungsstand der SuS zu erfassen und fair zu bewerten.

Wie sehen praktikable Lösungen aus? Wie kann eine verpflichtende Abgabe der Smartphones organisiert werden?

Es gibt verschiedene Lösungen, um die Abgabe bzw. das Wegschließen von Smartphones praktisch umzusetzen. Hier sind einige Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen:

1. Smartphone-Locker

Smartphone-Locker sind kleine, abschließbare Fächer, die fest im Klassenzimmer installiert sind.  Jede Schülerin und jeder Schüler legt sein Handy morgens in ein zugeordnetes Fach, das nur mit einem Schlüssel oder Code geöffnet werden kann.

Vorteile:

  • Sicherheit: Die Smartphones sind relativ sicher aufbewahrt und können nicht ohne weiteres entwendet werden.

  • Übersichtlichkeit: Da jeder ein eigenes Fach hat, funktioniert die Ausgabe bei Schulschluss schnell.

Nachteile:

  • Platzbedarf: Die Locker benötigen Platz und müssen fest installiert werden. Das kann aufgrund baulicher Gegebenheiten u.U. schwierig sein.

  • Aufwand: Das Verwalten der Schlüssel oder Codes kann zusätzlichen organisatorischen Aufwand verursachen.

  • Organisatorischer Aufwand: Es braucht eine Vertrauensperson, die mit den Schüler:innen wieder zum Klassenzimmer zurückkehrt am Ende des Schultages.

  • Keine Flexibilität: Soll im Unterricht mit den Smartphones gearbeitet werden, ist dies nur möglich, wenn die Klasse im Klassenzimmer Unterricht hat.

2. Holzkästen als Handygarage im Klassenschrank

Eine „Handygarage“ aus Holz besteht aus einem Holzkasten mit mehreren Fächern, in die die Schüler:innen ihre Smartphones bei Schulbeginn stecken können. Diese Kästen werden dann im Klassenschrank verwahrt und erst nach Schulschluss wieder ausgegeben.

Vorteile:

  • Günstig und einfach: Holzkästen sind kostengünstig und können einfach selbst gebaut oder natürlich auch gekauft werden.

  • Platzsparend: Im Klassenschrank findet sich bestimmt ein Platz für einen Holzkasten.

  • Gut zum Testen: Wenn eine Schule das Prinzip Smartphonefreie Schule einmal ausprobieren möchte, ist es mit Holzkästen ohne großen finanziellen und planerischen Aufwand möglich.

Nachteile:

  • Sicherheitsrisiko: Klassenschränke sind meist nicht besonders gesichert und leicht zu öffnen.

  • Organisatorischer Aufwand: Es braucht eine Vertrauensperson, die den Schrank auf- und zuschließt und mit den Schüler:innen wieder zum Klassenzimmer zurückkehrt am Ende des Schultages.

  • Keine Flexibilität: Soll im Unterricht mit den Smartphones gearbeitet werden, ist dies nur möglich, wenn die Klasse im Klassenzimmer Unterricht hat.

3. Stofftaschen im Klassenzimmer

Stofftaschen ähneln großen Adventskalendern. Sie hängen im Klassenzimmer an der Wand. Jede Stofftasche ist nummeriert, und die Schüler:innen stecken ihre Smartphones morgens in ihre zugeordnete Tasche.

Vorteile:

  • Kostengünstig

  • Einfach umzusetzen

  • Flexibilität: Geräte können schnell für den Unterricht hervorgeholt werden.

Nachteile:

  • Die Smartphones sind immer noch in Sichtweite und daher potentiell ablenkend.

  • Sie sind nicht sicher verwahrt.

  • Schüler:innen nehmen ihre Smartphones mit, wenn sie das Klassenzimmer verlassen (da sie ja nicht verschlossen aufbewahrt werden). Daher sind Smartphones zwischen dem Unterricht, in den Pausen und auf den Toiletten weiterhin nutzbar und somit nicht Away for the day.

4. Yondr Taschen

Yondr ist ein innovatives System, das die Smartphones der Schüler:innen in speziellen, magnetisch verschließbaren Taschen aufbewahrt. Diese Taschen lassen sich nur mit einem speziellen Gerät wieder öffnen, so dass während des Schultages keinerlei Zugriff auf das Smartphone möglich ist.

Vorteile:

  • Sicherheit: Die Smartphones verbleiben bei den Schüler:innen. Es gibt kein Problem mit Haftung und Versicherung.

  • Platzsparend: Da die Smartphones bei den Schüler:innen verbleiben, wird kein Platz im Klassenzimmer oder im Klassenschrank benötigt.

  • Flexibilität: Falls die Smartphones für den Unterricht genutzt werden sollen, können die Yondr Taschen schnell entsperrt werden.

  • Kein Zurückkehren zum Klassenzimmer erforderlich: Wenn in jedem Klassenzimmer ein Entsperrungsgerät vorhanden ist, können Schüler:innen direkt nach der letzten Stunde ihr Gerät entsperren und nach Hause gehen.

  • Individualisierung:  Yondr Taschen können individualisiert werden für die jeweilige Schule.

Nachteile:

  • Kosten: Die Anschaffung von Yondr-Taschen und dem entsprechenden Entsperrungsgerät kostet mit ca. € 28,- pro Tasche etwas mehr als Holzkästen und Handylocker. Schulen müssen die Taschen entweder selbst anschaffen, oder die Eltern müssten zu Schulbeginn eine Tasche erwerben.

  • Umgehung: Findige Schüler:innen könnten Wege finden, den Magnetverschluss zu öffnen oder die Tasche öfter „vergessen“.

Die Wahl der besten Methode zur Durchsetzung eine verpflichtenden Abgabe der Smartphones hängt von mehreren Faktoren ab wie etwa der Größe der Schule, dem verfügbaren Budget und den spezifischen Bedürfnissen der Schulgemeinschaft.

Locker und Yondr Taschen bieten eine höhere Sicherheit, sind jedoch mit höheren Kosten verbunden als Holzkästen. Holzkästen und Stofftaschen sind kostengünstigere und einfach umsetzbare Optionen, bieten aber weniger Schutz vor Diebstahl und könnten daher die Frage nach der Haftung bei Verlust oder Beschädigung aufkommen lassen.

Alle Optionen stellen aber sicher, dass private Smartphones nicht während des Unterrichts oder der Pausen genutzt werden können – eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu bloßen Verboten.

Die Wahl der richtigen Lösung sollte immer auch die Bedürfnisse der Schüler:innen berücksichtigen, um eine nachhaltige und funktionierende Regelung zu schaffen.